
Allgemein
Drei Fragen an Florian Hassler zum Strategiedialog Landwirtschaft in Baden-Württemberg
11. Oktober 2024
Die Zukunft der Landwirtschaft in Baden-Württemberg gestalten: Dieses Ziel verfolgt das Staatsministerium Baden-Württemberg mit dem Strategiedialog Landwirtschaft, der in dieser Woche mit einer gemeinsamen Vereinbarung abgeschlossen wurde. Über 50 Akteure aus Landwirtschaft, Naturschutz, Handel, Lebensmittelhandwerk und -verarbeitung, Wissenschaft, Kirchen und Gesellschaft brachten sich in den Dialog ein, darunter auch die REWE-Region Südwest. In unserem Format „Drei Fragen an“ blickt Staatssekretär Florian Hassler, zuständig für die Gesamtsteuerung und Koordinierung des Strategiedialogs, auf das Arbeitsformat der Landesregierung zurück.
Die Einrichtung des Strategiedialogs wurde von der Landesregierung beschlossen und beim Auftakt waren Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundesminister Cem Özdemir, zwei Landesminister und Sie als Staatssekretär zugegen. Auch war die gesamte Wertschöpfungskette im Prozess vertreten. In Anbetracht dessen: Was ist für Sie persönlich die Besonderheit am Strategiedialog Landwirtschaft?
Der Strategiedialog war von Anfang an mehr als nur ein Dialog. Er war ein Akt der Verständigung, ein Bekenntnis zur Kooperation und zur gemeinsamen Verantwortung für unsere Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Es war uns daher wichtig, dass der Strategiedialog nicht nur einzelne Interessengruppen bedient, sondern verschiedene Bedürfnisse auf Augenhöhe abwägt und so gemeinsam konkrete Lösungen entwickelt. Wir haben deshalb Landwirte, Handel, Wissenschaft, Lebensmittelhandwerk und -verarbeiter, Naturschutz, Kirchen und Verbraucher, also alle relevanten Akteurinnen und Akteure der Wertschöpfungskette an einen Tisch gebracht. Das Ergebnis ist ein von allen getragener Gesellschaftsvertrag für die Landwirtschaft. Das ist ein großes Wort, aber es trifft den Kern der Sache. Es ist gelungen, einen breiten Konsens zu erzielen, der sowohl den Erhalt der regionalen landwirtschaftlichen Betriebe als auch den Schutz der biologischen Vielfalt in den Mittelpunkt stellt. Damit wird nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln aus Baden-Württemberg sichergestellt, sondern auch unsere Kulturlandschaft und Biodiversität langfristig gestärkt.
Der Strategiedialog hatte zum Ziel, innerhalb von zwei Jahren konkrete Ergebnisse zu erzielen und Empfehlungen auszusprechen. Zu welchen Schlussfolgerungen sind Sie etwa im Bereich der Stärkung regionaler Produkte gekommen?
Grundsätzlich gilt immer: Was im Einkaufswagen landet, entscheiden letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher. Lebensmittel, die lokal und umweltschonend produziert werden, sind nicht nur gut für die Wirtschaft vor Ort – sie schonen auch das Klima und die Artenvielfalt, weil sie unter anderem durch kürzere Transportwege punkten. In unserem Gesellschaftsvertrag haben wir uns daher für enge Kooperationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgesprochen – von den Landwirtinnen und Landwirten über die Verarbeitungsbetriebe bis hin zum Handel. Verlässliche Partnerschaften und langfristige Abnahmeverträge schaffen Planungssicherheit und stärken vor allem kleinere, familiengeführte Betriebe. Der Lebensmitteleinzelhandel hat sich dazu verpflichtet, das Angebot an regionalen Produkten stark auszubauen. Regionale Lebensmittel stehen künftig also deutlich besser sichtbar in den Regalen. Parallel dazu wollen wir die Kennzeichnung von regionalen Produkten verbessern und die Direktvermarktung besser fördern. Das stärkt den Kontakt zwischen Landwirten und Verbrauchern und erhöht die Wertschätzung für lokale Erzeugnisse. Auch die Außer-Haus-Verpflegung spielt eine entscheidende Rolle bei der Absatzförderung regionaler und ökologischer Produkte. Die Rede ist von Kantinen, Mensen und Restaurants. Hier müssen bioregionale Produkte vermehrt Eingang in die Speisepläne finden.
Inwiefern können die Ergebnisse aus Baden-Württemberg auch auf andere Länder oder gar die Bundespolitik übertragen werden?
Die Landwirtschaft steht deutschlandweit vor ähnlichen Herausforderungen – sei es der Klimawandel, der Erhalt der Biodiversität oder die Sicherung fairer Einkommen für Landwirtinnen und Landwirte. Bei der Suche nach tragfähigen Lösungen kann unser Strategiedialog anderen durchaus Vorbild sein. Mit dem Gesellschaftsvertrag zeigen wir, wie eine zukunftsorientierte und moderne Landwirtschaftspolitik aussieht – eben, weil wir Landwirtschaft und Naturschutz miteinander verbinden. Schon für unser Biodiversitätsstärkungsgesetz haben wir uns zusammen mit Naturschutz und Bauernverbänden darauf geeinigt, dass bis 2030 nur noch halb so viel chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und der Ökolandbau auf 30 bis 40 Prozent ausgebaut wird. Das sind starke Ziele. Aber klar ist auch: Agrarpolitik wird maßgeblich in Brüssel und Berlin gemacht. Die EU-Kommission hat eben erst einen eigenen Strategischen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft abgeschlossen. Hier war auch unser Strategiedialog Vorbild. Weil wir mit den entscheidenden Personen auf EU-Ebene Kontakt hatten, finden sich in den Empfehlungen auch Positionen aus unserem Strategiedialog in Baden-Württemberg. Im Gesellschaftsvertrag haben wir zahlreiche Handlungsempfehlungen an den Bund und die EU formuliert. Wir werden diese mit Tatkraft dort einbringen.
Es liegt an Berlin und Brüssel, sich ernsthaft mit unseren Vorschlägen zu beschäftigen. Mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir haben wir hier einen starken Partner.
Florian Hassler ist Staatssekretär im Staatsministerium Baden-Württemberg und Vertreter des Landes bei der EU.