Ein Mann mit Brille und schwarzer Jacke sitzt auf der Bühne und spricht in ein Mikrofon. Er trägt ein Konferenz-Namensschild. Im Hintergrund ist ein Präsentationsbildschirm mit verschwommenem Text zu sehen.

Allgemein

„Drei Fragen an“ Clément Tischer zur Ernährung der Zukunft

9. Mai 2025

Angesichts des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung wird es immer wichtiger, das Ernährungssystem zu transformieren. Innovative Sortimente wie etwa alternative Proteinquellen sind das Metier von Clément Tischer, dem Head of FoodTech bei der REWE Group. In unserem Format „Drei Fragen an“ teilt er seine Gedanken zur notwendigen Ernährungswende.

Als Head of FoodTech sind Sie immer auf der Suche nach den neuesten Trends für eine nachhaltigere Ernährung. Welche Innovation hat Sie zuletzt aufhorchen lassen?

Eine Innovation, die mich zuletzt besonders begeistert hat, kommt von Project Eaden. Dieses Startup hebt pflanzliche Fleischalternativen auf ein völlig neues Niveau, sowohl geschmacklich als auch technologisch. Mit einer einzigartigen Fasertechnologie gelingt es ihnen, die Textur und den Biss von Fleisch so authentisch nachzubilden, dass selbst eingefleischte Schinken- und Wurstliebhaber überrascht sind.
Besonders spannend finde ich den Ansatz: Hoch skalierbare Hightech aus der Textilindustrie trifft auf FoodTech, um eine nachhaltige Lösung mit echtem Mehrwert zu schaffen. Denn wenn wir unser Ernährungssystem wirklich verändern wollen, müssen Alternativen nicht nur umweltfreundlich und kompromisslos lecker sein, sondern auch für alle erschwinglich sein.
Ebenso vielversprechend sind die Fortschritte in der Fermentationstechnologie. Neben unserer neuesten Kooperation mit Project Eaden pflegen wir daher auch Partnerschaften mit Infinite Roots und Formo. Zwei Unternehmen, die mit innovativen Fermentationsprozessen nachhaltige Lebensmittel der nächsten Generation entwickeln. Diese und viele weitere Technologien, die wir aktiv verfolgen, haben das Potenzial, die Lebensmittelindustrie grundlegend zu transformieren und den Zugang zu umweltfreundlicheren, resilienteren Produkten zu erleichtern.
Infinite Roots beispielsweise kombiniert traditionelle Fermentationstechniken mit innovativen Ansätzen, um nachhaltige Lebensmittel auf Basis von Pilzbiomasse herzustellen. Ihre lokal hergestellten Proteinprodukte sind umweltfreundlich und überzeugen gleichzeitig durch ihre hohe sensorische Qualität.
Formo hingegen ist ein Berliner BioTech-Startup, das sich auf die Entwicklung tierfreier Käsealternativen spezialisiert hat. Mithilfe von Präzisionsfermentation stellt Formo echte Milchproteine ohne Einsatz von Kühen her und produziert so Käse, der in Geschmack und Textur nicht von herkömmlichem Käse zu unterscheiden ist.
Auch Planet A Foods, ein Münchner Startup, mit dem wir kooperieren, nutzt die Fermentationstechnologie für eine innovative Schokoladenalternative namens ChoViva. Diese kommt ohne Kakaobohnen aus und basiert stattdessen auf regional angebauten Zutaten wie Sonnenblumenkernen, die durch ein einzigartiges Verfahren verarbeitet werden. Das Endprodukt ähnelt herkömmlicher Schokolade in Geschmack und Konsistenz, hat aber einen deutlich geringeren CO₂-Fußabdruck.

Die Gründe für die Suche nach alternativen Proteinen sind vielfältig. Tierwohl und Umweltschutz, aber auch die Anforderungen der Verbraucher:innen haben sich in den zurückliegenden Jahren verändert. Auch in vielen Parteiprogrammen zur Bundestagswahl wurde die Erforschung und Förderung von klimafreundlicheren Technologien begrüßt. Was spricht dafür, dass sich dieser Markt sukzessive raus aus der Nische bewegt?

Alternative Proteine treffen zunehmend auf Akzeptanz bei den Verbraucher:innen, da das Bewusstsein für den eigenen ökologischen Fußabdruck und für ethische Aspekte gestiegen sind. Diese steigende Nachfrage führt zu verstärkten Investitionen und einer intensiveren Forschung. Technologisch und geschmacklich sehen wir derzeit enorme Fortschritte, sodass pflanzliche Produkte etwa auf Basis von Erbsen- und Weizenprotein zunehmend attraktiver und wettbewerbsfähiger werden. Neue Technologien, wie zuvor beschrieben, bieten großes Potenzial, verbleibende geschmackliche, sensorische und funktionale Unterschiede weiter zu verringern.

Wir sind überzeugt, dass die Entwicklungen der nächsten Jahre dazu führen werden, dass Ersatzprodukte für tierische Erzeugnisse und auch Alternativen für kritische Rohstoffe zunehmend wirtschaftlich attraktiv und preislich konkurrenzfähig werden. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass diese Alternativen ihren Nischenstatus hinter sich lassen und den Massenmarkt erreichen.

So freue ich mich auch immens über die kürzlich verabschiedete Proteinstrategie der REWE Group. Sie untermauert, mit wie viel Überzeugung wir das Thema angehen. Dazu gehört etwa, dass wir unsere Sortimente weiter optimieren und noch gezielter in Richtung unserer Kund:innen kommunizieren. Dabei werden wir tierische und alternative Proteine nicht gegeneinander ausspielen. Dies ist auch ein wichtiges Zeichen in Richtung der heimischen Landwirtschaft.

Blicken wir ins Ausland: In Dänemark oder den Niederlanden werden teilweise schon hohe Fördersummen für Startups im Bereich alternativer Proteine ausgeschüttet. Auch im Bundeshaushalt wurden Summen bereitgestellt. Ende 2024 haben Deutschland und Dänemark die EU-Kommission aufgefordert, eine europäische Proteinstrategie zu formulieren. Sie arbeiten eng mit Startups zusammen: Wie bewerten Sie die Ausgangslage für diese hierzulande und welche weiteren politischen Schritte wären wünschenswert?

Deutschland hat großes Potenzial, ein führender Standort für nachhaltige Lebensmittelinnovationen zu werden. Die Kundenakzeptanz ist hoch und die FoodTech-Szene hierzulande ist weltweit mitführend bei der Entwicklung innovativer Technologien, die jedoch oft sehr kapitalintensiv und langwierig sind. Um die Zeit bis zur Marktreife oder Marktzulassung zu überbrücken, sind Wagniskapital und alternative Fördermaßnahmen entscheidend.

Die bisher bereitgestellten Fördermittel sind ein guter Start, doch es braucht weitere Unterstützung. Dazu zählen etwa Reallabore, wirtschaftliche Anreize für pflanzliche Alternativen und gezielte Förderungen für die Skalierung innovativer Ansätze. Gleichzeitig ist eine vereinfachte und transparente Regulatorik unerlässlich, um Startups den Markteintritt zu erleichtern und die Kommerzialisierung neuer Technologien zu beschleunigen.

Besonders die aktuellen Zulassungsverfahren und regulatorischen Prozesse bei Innovationen, die unter die Novel-Food-Regularien fallen, stellen nach wie vor große Hürden dar. Diese müssen dringend optimiert werden, da langwierige Verfahren hohe Kapitalreserven erfordern und Startups erheblich belasten. Auch drohen sonst Abwanderungen ins Ausland, was den Technologiestandort Deutschland schwächen würde. Wer es mit einer ressourcenschonenden Lebensmittelproduktion hierzulande ernst meint, der sollte auch das Vertrauen in die Innovationskraft und Sicherheitsstandards heimischer Unternehmen stärken. Hier stehen wir an der Seite unserer Kooperationspartner.

Um das Potenzial der erwähnten Zukunftstechnologien voll ausschöpfen zu können, sind klare, transparente und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen erforderlich. Die Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist entscheidend, um die Entwicklung einer zukunftsfähigen Ernährungswirtschaft zu fördern.

Clément Tischer leitet den FoodTech-Bereich der REWE Group.